Hat Ihr Kind Dyskalkulie?

Die folgenden Fragen helfen Ihnen herauszufinden, ob Ihr Kind an Dyskalkulie leidet.

Kommt es bei Mathe-Hausaufgaben oft zum Streit?

Eine Rechenschwäche oder Matheangst wird sehr oft von Streit bei den Hausaufgaben begleitet. Der Grund ist, dass Eltern oft nicht wissen, wie wenig ihr Kind von der Mathematik überhaupt begreift. Fehlt dem Kind z.B. das Verständnis dafür, dass man beim Zählen immer dieselbe Zahl herausbekommt, wenn man dieselbe Menge durchzählt, dann kann es nicht verstehen, warum bei ein und derselben Rechenaufgabe immer dasselbe Ergebnis herauskommen muss.

Selbst wenn die Eltern akzeptieren, dass das Kind nur sehr wenig versteht, wird sein Kenntnisstand trotzdem noch überschätzt. Diese Überforderung des Kindes erzeugt oft Aggressionen, die in der ohnehin angespannten Hausaufgabensituation ausbrechen.


Kommt es sehr schnell zum Streit?

Durch die wiederkehrenden angespannten Situationen (Hausaufgaben, aber auch andere Situationen, in denen die Eltern versuchen, mathematische Kenntnisse zu vermitteln) lernen sowohl die Eltern als auch das Kind bestimmte Verhaltensmuster.

Beim Kind ist dies oft Aggressivität aufgrund der ausweglosen Lage, während Eltern immer schneller dazu tendieren, ihrem Kind Faulheit oder störrisches Verhalten zu unterstellen. Nach einiger Zeit hat sich das Verhalten beider Seiten dahingehend entwickelt, dass schon dem ersten Anzeichen von Unmut des einen eine heftige emotionale Explosion des anderen folgt.


Dauern die Mathe-Hausaufgaben übermäßig lange?

Ein „normal“ rechnendes Kind kann die Kenntnisse, die zum Bearbeiten der Hausaufgaben nötig sind, schnell und ohne Mühe aktivieren. Dieselben Aufgaben verlangen vom rechenschwachen Kind aber ein erhebliches Maß an Konzentration, viele Dinge gleichzeitig unter einen Hut zu bringen.

Das ist in etwa so, als müssten Sie unter Zuhilfenahme einer chinesischen Gebrauchsanleitung und eines Wörterbuches Chinesisch-Deutsch einen Defekt in einem Magnetresonanz-Tomografen finden und beheben, während Sie in einem Wettbewerb mit zwanzig chinesischen Ingenieuren stehen.


Vergisst Ihr Kind gelernte Sachen schnell wieder?

Da der Kenntnisstand eines rechenschwachen Kindes erheblich geringer ist, als man sich gemeinhin vorstellen kann, hat das Kind nur wenige Anknüpfungspunkte für neues Wissen. Je mehr Anknüpfungspunkte aber vorhanden sind, desto mehr Möglichkeiten gibt es auch, neu erworbenes Wissen wieder abzurufen.

Das gilt für alle Bereiche des Lebens. Auch ein Fachanwalt für Familienrecht kann sich z. B. eine Gesetzesnovelle zum Sorgerecht leichter merken als ein Unfallchirurg oder ein Tänzer. Dieser wiederum kan sich eine Choreografie leichter merken als ein Automechaniker. Genauso kann sich ein Kind mit Zahlverständnis das kleine 1+1 oder die schriftliche Subtraktion leichter merken als ein Kind ohne Zahlverständnis.


Hat Ihr Kind Schwierigkeiten, die Zahlwörter zu lernen?

Solche Schwierigkeiten können mehrere Ursachen haben. Sie können auf Probleme mit der akustischen Wahrnehmung zurückgehen, die eine allgemeine Verzögerung des Spracherwerbs zur Folge haben können, aber auch auf fehlende Anlässe, das Zählen zu üben oder auf eine eingeschränkte Vernetzung unterschiedlicher Zahlkenntnisse untereinander (4 kommt nicht nur nach 3 beim Zählen, sondern vier gezählte Objekte „wirken“ auch etwas mehr als drei Objekte.).

Schwierigkeiten der beschriebenen Art sind des Öfteren Vorboten einer Rechenschwäche.


Lässt Ihr Kind beim Zählen die 33, 44 usw. aus?

Dann hat Ihr Kind noch nicht verstanden, dass sich die Zahlen in ihrer Struktur immer wiederholen. Das Kind weiß noch nicht, dass die Einer immer wieder dem Schema „41, 42, 43, 44, 45 ...“ folgen.

Vielmehr wirkt immer noch der Klang der Zählreihe bis 10 sehr stark, wenn man sich auf die Lautfolge konzentriert: „... dreiundvierzig, fünfundvierzig ...“ klingt einfach richtiger als „... dreiundvierzig, vierundvierzig,  fünfundvierzig ...


Übersieht Ihr Kind, wenn zwei „offensichtlich“ gleiche Mengen gleich sind?

Zu diesem Effekt kommt es, wenn ein Kind nicht über die sogenannte Mengeninvarianz verfügt.

In einer Phase der kindlichen Entwicklung wissen Kinder noch nicht, dass die gezählte Zahl überhaupt eine Aussage über die Menge macht, die ausgezählt wurde. In diesem Stadium können Kinder noch nicht wissen, dass vergleichbare Mengen, die in einer „übersichtlichen“ Zuordnung zueinanderliegen, dasselbe Zählergebnis haben. Diese Phase sollte jedoch normalerweise spätestens mit Eintritt in die Schule abgeschlossen sein.


Haben Sie Ihrem Kind in der 2. Klasse das Untereinander-Rechnen beigebracht?

Eltern oder andere Bezugspersonen, die das Kind schulisch betreuen, erkennen oft erst in der zweiten Klasse, dass „etwas nicht stimmt“. Wenn das Kind Probleme bei der Addition zweistelliger Zahlen bekommt und die in der Schule gelehrten Verfahren nicht anwenden kann, umgehen manche Eltern dieses Problem, indem sie ihm das leichter zu rechnende Untereinander-Rechnen beibringen.

Gerade für schwächere Kinder ist dieser Schritt aber fatal, da die Zahlen nicht mehr im Sinne „links die Zehner, rechts die Einer“ betrachtet werden müssen, sondern auf einmal alle Ziffern als gleichwertig behandelt werden. Die Zahl steht nicht mehr für eine bestimmte Größenordnung, sondern nur noch für eine Kombination aus Ziffern.

Das ist genauso, als würde man denken, dass eine Ente aus zwei E, einem N und einem T besteht. Dass da eigentlich Federn und ein Schnabel dran sind und das Ganze schwimmen kann, ist Nebensache.


Kann Ihr Kind das 1 x 1 auswendig, rechnet aber das 1 + 1 mit den Fingern?

Das Fingerrechnen ist die sogenannte Erststrategie für die Addition. Wenn ein Kind so rechnet, hat es die Vorteile anderer Tricks, wie 6+7 über 6+6+1 zu rechnen oder 9+5 über 9+1+4, noch nicht verstanden.

Außerdem ist es eine Tatsache, dass es nicht besonders aufwendig ist, kleine Additionen zählend zu rechnen. Das Pauken der Plusaufgaben hingegen ist ein erheblicher Aufwand, der nicht gerade zu einer Beschleunigung der Arbeit führt.

Anders ist es bei der Multiplikation, wo ein zählendes Errechnen von 6 · 8 gegenüber dem Auswendigwissen mit viel mehr Arbeit verbunden ist. Hier ist also der Aufwand, Ergebnisse auswendig zu lernen, gerechtfertigt. Hinzu kommt, dass viele schwächere Kinder beim neuen Thema „Multiplikation“ neuen Mut schöpfen und sich besonders anstrengen.

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